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Märchen vom Fischer und dem Fische

Ein Alter mit seiner Alten wohnte
Am Ufer des Meeres, des blauen Meers,
In einer alten Erdhütte wohnten
Die beiden schon drei und dreißig Jahr.
Der Alte ging auf den Fischfang aus,
Derweilen die Alte zu Hause spann.
Einst senkt' er sein Netz in's Meer hinab,
Doch als er es aufzog, fand er nur Schlamm;
Zum zweiten Mal senkt' er das Netz hinab,
Doch er fand nichts darin als Gras aus dem Meer,
Zum dritten Mal senkt' er das Netz hinab,
Und siehe, er fing einen goldenen Fisch,
Einen goldenen Fisch von seltener Art.
Der Fisch, da er ihn aus dem Netze nahm,
Hub mit Menschenstimme zu raunen an:
Laß Alter, laß mich zurück in's Meer,
Und ich gebe Dir kostbaren Lohn dafür,
Gebe Alles Dir was Dein Herz begehrt.«
Da erstaunte der Alte, erschreckte sehr;
Wohl fischt er schon drei und dreißig Jahr,
Doch nie hat er Fische reden gehört.
Und er that wie der goldene Fisch ihn bat,
Ließ ihn frei, sagte mit Schmeichelton:
Möge Gott mit Dir sein, Du goldener Fisch!
Kehr in Freiheit zurück in das blaue Meer,
Ich begehre von Dir keinen Lohn dafür,
Tauche nieder und schwimme nach Herzenslust! —

Darauf kehrte der Alte zur Alten heim
Und erzählte das große Wunder ihr:
Einen Fisch fing ich heute in meinem Netz,
Einen goldenen Fisch von seltener Art,
Der zu reden begann wie mit Menschenmund,
Seine Freiheit um kostbaren Lohn erbat,
Um heimzukehren ins blaue Meer
Mir Alles versprach was mein Herz begehrt.
Doch ich wagte nicht ihn um Lohn zu bitten,
Ließ ihn frei zurück in das blaue Meer.

Hub die Alte den Alten zu schelten an:
O Du alter Thor, alter Gimpel Du!
Warum wagtest Du nichts von dem Fische zu nehmen?
Hättest Du doch nur einen Trog begehrt,
Unser alte ist ganz verdorben schon.

Ging der Fischer zurück zum blauen Meer,
Und er sieht, leise kräuselt die Fläche sich.
Und er spähet und ruft nach dem goldenen Fisch.
Schwamm der Fisch herbei, hub ihn zu fragen an:
Was, Alter, ist Dem Begehr von mir?
Darauf sich verbeugend der Alte sprach:
Erbarme Dich weiner, erzürne nicht!
Meine Alte hat mich gescholten um Dich,
Und sie läßt mir daheim keine Ruhe mehr.
Sie begehrt einen neuen Trog in's Haus,
Unser alte ist ganz verdorben schon!

Gab der goldene Fisch ihm zur Antwort darauf:
Betrübe Dich nicht, lehre heim mit Gott,
Der Trog soll Euch werden nach Eurem Bedarf!

Wieder kehrte der Alte zur Alten heim,
Und der neue Trog war im Hause schon.
Doch noch ärger fing die Alte zu schelten an:
O Du alter Thor, alter Gimpel Du!
Hast Du alter Thor einen Trog begehrt,
Ist solch Geschenk wohl der Mühe werth?
Kehre um zum Fische und grüße ihn,
Erbitte ein hölzernes Haus für uns.

Ging der Fischer aufs Neue zum blauen Meer.
Und siehe, das blaue Meer trübte sich.
Und er spähet und ruft nach dem goldenen Fisch.
Schwamm der Fisch herbei, hub ihn zu fragen an:
Was, Alter, ist Dein Begehr von mir?
Darauf sich verbeugend der Alte sprach:
Erbarme Dich meiner, erzürne nicht!
Meine Alte schilt mich noch ärger aus,
Und sie läßt mir daheim keine Ruhe mehr,
Ein hölzernes Haus wünscht das zänkische Weib.

Gab der goldene Fisch ihm zur Antwort darauf:
Betrübe Dich nicht, kehre heim mit Gott,
Das hölzerne Haus steht bereit für Euch!

Und der Fischer trat seinen Rückweg an:
Von der Erdhütte war keine Spur mehr zu sehn.
Es erhob sich vor ihm ein hölzernes Haus
Mit Schornstein von Ziegeln, weiß übertüncht,
Und mit hoher, eichener Bretterpforte.
Am Fenster sitzt seine Alte schon?
Kaum sieht sie dm Mann, so zankt sie ihn aus:
Du Gimpel, Du bist doch ein rechter Thor,
Begehrst so ein hölzernes Bauernhaus!

Kehr' um auf der Stelle und grüße dm Fisch:
Ich will leine niedrige Bäuerin sein,
Will wohnen und lebm als Edelfrau!

Ging der Fischer zum blauen Meere zurück,
Es wogte und brauste das blaue Meer.
Und er spähet und ruft nach dem goldenen Fisch.
Schwamm der Fisch herbei, hub ihn zu fragen an:
Was, Alter, ist Dein Begehr von mir?
Darauf sich verbeugend der Alte sprach:
Erbarme Dich meiner, erzürne nicht!
Noch schlimmer als früher jetzt tobt meine Frau
Und läßt mir daheim leine Ruhe mehr:
Sie will leine niedrige Bäuerin sein,
Will wohnen und leben als Edelfrau.

Gab der goldene Fisch ihm zur Antwort darauf:
Betrübe Dich nicht, kehre heim mit Gott!

Und es kehrte der Alte zur Alten heim:
Sieht er vor sich ein hohes Säulenhaus.
Auf der Freitreppe steht seine Alte schon
In kostbarer Jacke von Zobelpelz,
Mit seidenem Kopfpuhe bunt und reich,
Um dm Hals eine blitzende Perlenschnur,
An den Fingern goldne Ringe,
Die Füße mit rothen Pantoffeln geschmückt.
Um sie her stehen eifrige Diener,
Und sie schlägt die Diener, zerzaust ihr Haar.
Redet also der Alte die Alte an:
Glück auf, hohe Herrin, gnäd'ge Edelfrau!
Jetzt wird Deine Seele zufrieden sein.
Da erboste die Frau, fuhr ihn heftig an,
Schickt ihn zum Stalle, zu dienen dort.

So war schon die zweite Woche vergangen,
Und das Toben der Alten nahm immer zu.
Aufs Neue schickt sie den Alten zum Fisch.
Geh fort auf der Stelle und grüße den Fisch:
Ich will keine einfache Edelfrau sein,
Will herrschen in Freiheit als Königin!
Da erschreckte der Alte und sprach zu ihr:
Was, hast Du Tollkraut gegessen, Weib?
Ich erbitte für Dich kein Reich vom Fisch,
Es würde Dir selbst nur zum Hohne sein.

Da erzürnte die Alte in ganzem Zorn
Und sie gab ihrem Mann einen Backenstreich:
Was? wagst Du Bauer zu streiten mit mir?
Mit mir, einer vornehmen Edelfrau!
Nimm Rath und Vernunft an, geh' gleich zum Meer,
Ich zwinge Dich wenn Du's nicht willig thust!

Ging der Fischer zum blauen Meere zurück,
Ganz trübe und schwarz ward das blaue Meer.
Und er spähet und ruft nach dem goldnen Fisch,
Schwamm der Fisch herbei, hub ihn zu fragen an:
Was, Alter, ist Dein Begehr von mir?
Darauf sich verbeugend der Alte sprach:
Erbarme Dich meiner, erzürne nicht!
Aufs Neue empört meine Alte sich,
Jetzt will sie schon nicht mehr Edelfrau sein,
Will herrschen in Freiheit als Königin!

Gab der goldene Fisch ihm zur Antwort darauf:
Betrübe Dich nicht, kehre heim mit Gott,
Deine Alte soll herrschen als Königin.

Und der Alte kehrte zur Alten zurück.
Sieht er vor sich prangen ein Königsschloß,
In dem Schlosse sitzt seine Alte schon,
An der Tafel sitzt sie als Königin,
Ihr dienen Bojaren und Hofleute viel,
Die ihr Wein einschenken, überseeischen.
Dazu ißt sie zierlichen Honigkuchen.
Um ihr steht ihre furchtbare Leibwächterschaar,
Die Streitäxte auf den Schultern tragend.
Als der Alte das sah, erschrack er sehr,
Warf sich hin zu Füßen der Königin:
Gruß und Heil Dir, furchtbare Königin!
Nun wird endlich Deine Seele zufrieden sein!

Die Alte aber sah ihn gar nicht au,
Winkte blos mit den Augen ihn fortzuschaffen.
Sprangen Hofleute und Bojaren herbei
Und rissen den Alten rücklings fort.
An der Thüre kamen die Wächter herzu,
Hätten bald mit der Streitaxt ihn niedergehauen,
Und draußen das Voll verhöhnte ihn:
Nun, was thuft Du nur, alter Tölpel, im Schloß?
Laß es Dir für die Zukunft zur Lehre sein
Daß der Esel in seinen Stall gehört!

Geht wieder eine Woche nach der andern hin,
Und der llnmuth der Alten nimmt immer zu:
Sie befiehlt auf's Neue ihren Mann aufzusuchen.
Und man findet ihn bald, führt ihn hin zu ihr.
Redet also die Alte den Alten an:
Gehe hin zum Meere und grüße den Fisch,
Ich will nicht länger hier Königin sein,
Will Herrscherin werden im blauen Meer,

Daß ich wohne auf tiefem Meeresgrund
Und der goldene Fisch mir dienstbar werde
Als Bote, so oft ich ihn senden will.

Der Alte wagt keinen Widerspruch,
Gehorcht dem Befehl ohne Schwierigkeit
Und wandert aufs Neue zum blauen Meer,
Ueber'm Meer zieht ein dunkles Gewitter auf,
Hoch hebt sich die Flut und tobt und braust,
Und heult mit dem Sturme in lautem Zorn.
Und der Fischer ruft nach dem goldnen Fisch.
Schwamm der Fisch herbei, hub ihn zu fragen an:
Was, Alter, ist Dein Begehr von mir?
Darauf sich verbeugend der Alte sprach:
Erbarme Dich meiner, erzürne nicht!
Siehe, immermehr plagt mich wein böses Weib,
Jetzt will sie schon nicht mehr Königin sein,
Will Herrscherin werden im blauen Meer,
Daß sie wohne auf tiefem Meeresgrund
Und Du selber ihr dienstbar werdest fortan
Als Bote, so oft sie Dich senden will.

Kein Wort sprach diesmal der goldene Fisch,
Mit dem Schwanze schlug er das Wasser leise,
Und verschwand, in die Tiefe des Meeres gleitend.
Vergebens stand lange auf Antwort harrend
Der Alte, dann lehrt er zur Alten heim...
Was sieht er! Vor ihm seine Erdhütte liegt.
Auf der Schwelle sitzt seine alte Frau,
Davor liegt der alte, zerschlagene Trog.


Aus dem Russischen von
Friedrich Martin Bodenstedt

Alexander Puschkin
     
 
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