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Der Wagen hatte mittlerweile die asphaltierte Straße der kleinen Stadt durch die sie gefahren waren hinter sich gelassen und rumpelte nun über eine schmale Landstraße, vorbei an vertrockneten, goldgeben Feldern und vereinzelten Höfen in der Ferne, deren rote Dächer die regnerische Landschaft mit bunten Flecken versahen. Maria hatte aus Langeweile angefangen die roten Punkte zu zählen, doch nach einigen Sekunden hatte sie auch diese Beschäftigung mehr und mehr eingeschläfert, sodass sie nun den Fahrer des Wagens durch seinen Rückspiegel dabei beobachtete, wie er sich alle zwei Minuten an seinem schwarzen, geschwungenen Schnurrbart herumzupfte und dabei höchst konzentriert und sicherlich nicht ansprechbar wirkte. Diese Tatsache schien dem jungen Mädchen auf der Rückbank des knarrenden Autos aber nur recht zu sein, denn sie war sicher nicht daran interessiert dem abwesend scheinenden Mann etwas von ihrem Leben preis zu geben, zumal sie sicher zu schüchtern wäre um in einer möglichen Konversation weit zu kommen. Die Schüchternheit war eine Eigenschaft Marias, die sie selbst zutiefst verabscheute. Die brennende Röte die ihr auf die weißen Wangen schlich, das dumpfe Pochen im Kopf und den staubigen Hals, den sie bekam, kaum sprach sie mit Fremden, schränkte sie ungemein ein und hatte ihr schon so manches offenbarende Gespräch verwehrt, das sie hätte führen können. Einmal hatte sie auf einer Tee Feier, auf die sie ihre Mutter begleitet hatte einen jungen Mann gesehen, dessen Lächeln sie ausweglos in seinen Bann zog, nicht weil es atemberaubend war an zu sehen, oder es den hochgewachsenen Herrn in dem indigoblauen Sakko sonderbar attraktiv mache, nein. Das Lächeln des Mannes sah schmerzlich aus, kaum offenbarte er seine weißen Zähne, zogen sich tiefe, furchenartige Falten quer durch sein quadratisches Gesicht und seine grünen Augen, die waren als hielte man das satteste Grün der farbigsten Fliederblätter in ihnen fest, schienen in so viele Gefühle getränkt zu sein, dass er sie kaum halten konnte. Und Maria sich wunderte sich wie er es zu Stande brachte inmitten einer solch frohen Feier zu stehen, wo sein Wesen doch vor Schwermut triefte. Mit diesem Mann hätte sie gerne gesprochen, sie hätte ihm zuhören wollen, wie er alles preisgab, was seine Augen gefangen hielten wie jedes Wort von seinen schmalen Lippen fallen würde um sie mit dem wuchtigen Gefühl der Interesse zu überfluten, das sich in ihrem fragilen Körper wie ein Hauch von kühler Luft an einem stickigen Sommertag ausbreiten und sie zum schaudern bringen würde. Sie mochte nichts mehr als Menschen beim Erzählen zu zu hören und in ihrer Mimik zu erkennen wie sehr ihre Geschichte sie geprägt hatte und es immer noch tat, so lange bis jene Menschen zu klangen begannen, denn jedes Mal wenn sie das taten, fuhr die stickige Luft des Sommers ihr in einer Welle wieder entgegen und hüllte sie ein, bis die Schilderung beendet war und Maria sich mit einem höflichen Nicken und zuckersüßen Worten verabschiedete. Maria hatte sich an diesem Abend nicht getraut den Fremden an zu sprechen um ihn zu beten ihr ein wenig über sich zu erzählen, viel zu groß war die Angst gewesen, er könnte sie aufgrund ihrer Neugierde verurteilen und sich im Anschließenden bei ihrer Mutter für ihre Unhöflichkeit beschweren. Also hatte sie den Rest des langen Abends im Schein einer flackernden Kerze gesessen, während ihre großen Augen stehts, aufmerksam dem Mann mit dem traurigen Lächeln gefolgt waren, dessen Auftreten sie von Sekunde zu Sekunde stärker interessiert hatte.
Nachdem das immer lauter scheppernde Gefährt die holprige Landstraße überquert hatte, waren die vereinzelten Höfe mit den roten Dächern zu Häusergruppen und schließlich zu einer mittelgroßen Stadt geworden und unter den Rädern des Wagens polterte wieder das Kopfsteinpflaster, dessen viereckige Steine sich in unebenen Bögen über den Boden spannten und tiefe Rillen in diesem bildeten. Noch bevor Maria einen Gedanken daran verschwenden konnte, wie viele unachtsame Passanten wohl schon Münzen in jenen Rillen verloren hatten, während sie eilig die Straße überquerten blieb das Auto mit einem kräftigen Ruck stehen und einer der schweren Koffer bohrte sich fest in ihren Oberschenkel, sodass ihr ein frustriertes Zischen entfuhr. Der Fahrer raufte sich abwechselnd die Haare und den mittlerweile demolierten Schnurrbart und Maria wusste nicht ob er wegen des plötzlichen Halts so beunruhigt guckte, oder ob es die -nun wirren- Haare seines zerzausten Schnurrbarts waren, die den seltsamen Mann so aus der Fassung brachten. "Warum sind wir stehen geblieben?", wagte es Maria zu fragen, während sie sich mit gerunzelter Stirn den schmerzenden Oberschenkel rieb. Der Fahrer warf ihr einen missbilligenden Blick zu, als würde er erwarten, dass das junge Mädchen bereits wusste das sein Auto schlichtweg zu alt für eine solch lange Strecke war, wie die, die sie zurück gelegt hatten und nur versuchte ihn mit dieser Tatsache zu verärgern. "Der Wagen hat aufgegeben", grummelte er unzufrieden und bewegte seine Hand zu dem Schnurrbart unter seiner spitzen Nase, eine Gewohnheit, die der Mann wohl schon hatte, seit er sich die krausen, schwarzen Haare zu einem solchen hatte wachsen lassen. Maria nickte ratlos und beobachtete ihn dabei wie er die schwere Tür der Autos aufriss, sich aus dem Fahrersessel hob, den er selbst dann nicht verlassen hatte, wen die beiden Reisenden rast gemacht hatten, damit Maria sich die Beine vertreten konnte und schwerfällig nach draußen trat.
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